
Akupunkturanalgesie
Akupunkturanalgesie ist ein schlauer Begriff für Schmerzlinderung durch Akupunktur. Es mag erstaunlich klingen, dass man nur mit "einfachen Nadeln" einen solchen Effekt auslösen kann.
Alarmstufe Rot
Allerdings ist "bloß eine Nadel einstechen" alles andere als langweilig für den Körper. Es handelt sich nämlich um einen metallischen Fremdkörper aus chirurgischem Edelstahl, der durch alle Hautschichten in Bindegewebe oder gar Muskeln vordringt. Dabei wird zwar kein für den Organismus als Ganzes bedeutsamer Schaden angerichtet (vorrausgesetzt der Akupunkteur weiß was er tut), aber für die beteiligten Zellen unmittelbar um die Einstichstelle herum herrscht Alarmstufe Rot.
Einige Zellen wurden zerstört, eine handvoll Bakterienzellen von der Haut ins Gewebe eingetragen und dann werden die Nadeln auch noch manipuliert (also bewegt), was einen leichten elektrischen Effekt hat. Dementsprechend sieht man oft eine leichte Rötung um die Einstichstelle.
Elektroakupunktur
Noch deutlicher wird es, wenn Elektroakupunktur angewendet wird. Dabei wird elektrischer Strom, natürlich in unschädlichen Mengen, durch zwei oder mehr Akupunkturnadeln geleitet. Auch in der westlichen Medizin werden ähnliche Methoden angewendet.
Warum Akupunktur einen analgetischen Effekt hat, ist nicht genau geklärt. Einen guten Überblick gibt die Studie Acupuncture Analgesia: I. The Scientific Basis. Dabei wird bereits vorrausgesetzt, dass Akupunktur tatsächlich einen analgetischen Effekt hat.
Dieser Annahme widersprechen viele Mediziner. Das ist ihr gutes Recht. Aber es gibt immer mehr Studien und Hinweise, dass dieser Effekt existiert, wenn auch ein tiefgreifendes Wissen in chinesischer Medizin dafür nicht nötig zu sein scheint.
In Studien stellt man fest, dass "echte" Akupunktur in der Regel kaum besser als Scheinakupunktur ist, aber sowohl Akupunktur als auch Scheinakupunktur deutlich stärker wirken als garkein Einsatz von Nadeln. In den bisherigen Studien am Menschen lässt sich oft nicht klar unterscheiden, ob Akupunktur einen Effekt hat, der über die recht starke Suggestion - vergleichbar etwa mit Hypnose - hinausgeht.
Betrachtet man die Wirkmechanismen der Nadeln als elektrophysiologisch oder immunvermittelt, dann wird klar, warum der genaue Einstichort nicht so furchtbar wichtig zu sein scheint: Sowohl lokale Aktivierungen des Immunsystems, als auch elektrische Felder im Gewebe haben einen nicht gerade kleinen Radius. Mit anderen Worten: Wenn ich die Nadel, auf menschlicher Skala, ein paar cm oder gar eine halbe "Knochenlänge" weiter weg einsteche, überschneidet sich das elektrische Feld durchaus noch mit dem des Akupunkturpunktes und es macht keinen Sinn, warum die Wirkungen furchtbar unterschiedlich sein sollten. Noch komplizierter wird es, wenn man die Verbreitung eines elektrischen Potentials im Gewebe berücksichtigen will. Denn dieses Feld breitet sich nicht gleichmäßig dreidimensional aus, sondern verschieden stark je nach Gewebe, und stärker entlang zum Beispiel Muskelfasern oder Nerven.
Man muss auch aufpassen, wenn man von bioelektrischen Potentialen im Zusammenhang mit Akupunktur redet, nicht in eine Ecke gestellt zu werden mit Esoterikern, die ja auch gerne von Energiefeldern reden. Doch ich rede hier von echten elektrischen Feldern, die zwar schwach aber messbar sind und eng mit der chemischen und physikalischen Natur lebendigen Gewebes zusammenhängt.
Tierversuche
Besser als klinische Versuche eignen sich Tierversuche, um Akupunktur zu untersuchen. Problematisch ist, dass die meisten Studien direkt aus China stammen. Mir liegt es fern, alle chinesischen Akupunkturforscher unter Generalverdacht zu stellen, aber wir im Westen haben in diese Forschungsgruppen kaum Einblick und können die Glaubwürdigkeit ihrer Arbeit schlicht nicht einschätzen.
Etwas besser ist die folgende Studie aus Texas: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12406517
Dabei wurde Ratten unter Narkose ein Gelenk verstaucht, und nach dem Aufwachen gemessen wie stark die Pfote belastet wird. Unter Morphium war eine Besserung zu messen, also kann man davon ausgehen, dass die Minderbelastung schmerzabhängig ist.
Durch Elektroakupunktur war ebenfalls eine Verbesserung um 40% zu messen.
Solche Versuche liefern uns eine bessere Möglichkeit, zu ergründen, was für körperliche Vorgänge mit einer Nadel ausgelöst werden können. Eventuell lässt sich sogar ein Verfahren entwickeln, um Endorphine zuverlässig ausschütten zu lassen und nicht mal notwendigerweise durch die Verwendung einer Akupunkturnadel.
Die vielbeachteten klinischen Studien konzentrieren sich dagegen auf Akupunktur nach dem klassischen chinesischen Muster oder der westlichen Weiterentwicklung. Dabei ist die Stimulation der Punkte kaum standardisierbar. Die Dauer der Stimulation wird natürlich zu standardisieren versucht, ohne aber ein verlässliches Modell über die notwendige Dauer zu haben, da die Wirkmechanismen nicht wirklich geklärt sind.
"Laserakupunktur"
Noch kontroverser ist die Diskussion um Laserakupunktur. Es gibt Studien mit Belegen und Widersprüchen. Das Licht des Lasers dringt nicht sonderlich tief ins Gewebe ein, und doch scheint es Effekte zu geben. Warum und welche Effekte genau, ist nicht klar.
Doch auch hier liegt eine große Chance. Wenn es gelänge, zum Beispiel mit einem speziell entwickelten Licht (es muss kein Laser sein) einen Effekt auf einen Organismus ausüben zu können, zum Beispiel die Ausschüttung von Endorphinen, dann hätte diese Erfindung durchaus eine klinische Bedeutung.
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